Die ICF unterscheidet zwei Hauptkategorien von Kontextfaktoren: Umweltfaktoren und Personenbezogene Faktoren
„Umweltfaktoren bilden die materielle, soziale und einstellungsbezogene Umwelt ab, in der Menschen
leben und ihr Dasein entfalten“ (WHO, 2005, S.16).
Sie umfassen die physische, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der eine Person lebt und handelt. Sie sind Teil des Kontexts, der die Funktionsfähigkeit fördern oder behindern kann.
Beispiele: Hilfsmittel wie Rollatoren, Hörgeräte, Treppenlifte, digitale Kommunikationsmittel
Beispiele: Klima, Lichtverhältnisse, Lärm, Stadtgestaltung, Barrierefreiheit von Gebäuden
Beispiele: Familie, Freunde, Betreuer, Kollegen, Nachbarn
Beispiele: gesellschaftliche Haltungen gegenüber Menschen mit Behinderung, Vorurteile oder positive Wertschätzung, Religion
Beispiele: Gesundheitssystem, Sozialleistungen, Bildungswesen, Verkehr, Arbeitsmarktregeln
Personenbezogene Faktoren beschreiben den individuellen Hintergrund eines Menschen, der die Gesundheit, Funktionsfähigkeit und Teilhabe beeinflussen kann – ohne selbst ein Gesundheitsproblem zu sein.
Sie umfassen persönliche Merkmale, Erfahrungen und Lebensumstände, die bei der ICF nicht klassifiziert, aber dennoch entscheidend für die Planung von Therapie und Interventionen sind.
Typische Beispiele:
Alter, Geschlecht
Bildung und Beruf
Lebensstil, Fitness, Gewohnheiten
Motivation, Einstellungen, Bewältigungsstrategien
Sozioökonomischer Hintergrund
Persönliche Erfahrungen und Erziehung
Charakter und Persönlichkeit
Diese Faktoren helfen, den Menschen ganzheitlich zu betrachten und individuell passende Maßnahmen zu entwickeln.
Die systematische Erfassung und Dokumentation von Kontextfaktoren ist essentiell, um ein umfassendes Bild des/der Patient*in zu erhalten und individuelle Therapieansätze zu entwickeln.
Hier sind einige Ansätze, wie du diese Faktoren befunden kannst:
Umweltfaktoren: Erfrage gezielt Informationen über das Wohnumfeld, berufliche Situation, soziale Unterstützungssysteme und kulturelle Hintergründe.
Beispiele:
Gibt es Hindernisse in Ihrem Wohnumfeld, die Ihre Mobilität einschränken?
Wie ist Ihr soziales Netzwerk strukturiert?
Personbezogene Faktoren: Ermittle persönliche Einstellungen, Werte, Bewältigungsstrategien und individuelle Ressourcen.
Beispiele:
Welche Strategien nutzen Sie, um mit Herausforderungen umzugehen?
Welche persönlichen Ziele verfolgen Sie in der Therapie?
Nutze spezifische Fragebögen und Skalen, die Umwelt- und personbezogene Faktoren erfassen. Beispielsweise können Assessments zur sozialen Unterstützung oder zur Wohnraumanpassung eingesetzt werden.
Beispiele:
Fragebogen zur sozialen Unterstützung (F-SozU)
→ Erfasst, wie stark sich die Person durch Familie, Freunde oder andere Personen unterstützt fühlt
→ Beispiel: „Patient*in gibt an, sich sozial isoliert zu fühlen und hat kaum regelmäßige Kontakte außerhalb der Therapie.“
Housing Enabler / Wohnraumanalyse
→ Analysiert Barrieren in der häuslichen Umgebung (z. B. Stufen, Lichtschalterhöhe, Türbreiten)
→ Beispiel: „Wohnung ist nicht barrierefrei. Bad ist zu eng für Rollator. Keine Haltegriffe.“
Falls möglich, beobachte den Patienten in seinem häuslichen oder beruflichen Umfeld, um direkte Einblicke in mögliche Barrieren oder unterstützende Faktoren zu erhalten.
Beispiele:
Beobachtung beim Eintreffen in der Praxis / Klinik
→ Patient kommt ohne Hilfe, hat aber sichtbare Schwierigkeiten beim Türöffnen
Beobachtung in Gruppentherapie
→ Patient meidet Blickkontakt, beteiligt sich kaum aktiv, wirkt zurückgezogen
Umweltfaktoren sind Bestandteil der ICF-Klassifikation und werden mit Codes beginnend mit „e“ („environment“) erfasst
Beispiele:
e150 Design, Bau und Materialien des Hauses
e310 Unmittelbare Familienangehörige
e580 Gesundheitsdienste, -systeme und -politik
Diese Faktoren können sowohl Barrieren als auch Förderfaktoren darstellen und werden entsprechend mit einem Beurteilungsmerkmal von 0 (kein Einfluss) bis 4 (voller Einfluss) bewertet – bei Förderfaktoren zusätzlich mit einem Pluszeichen, z. B. e150+2
Sie sind nicht in der ICF klassifiziert – da sie kulturell stark variieren. Ihre Erfassung erfolgt beschreibend im Freitext, nicht mit ICF-Codes.
Beispiele: