Befund nach Domänen

Wie entscheide ich, welche  Domänen ich für meinen / meine Patient*in befunden sollte?

ICF Logo

Was ist eine Domäne?

Stell dir die ICF wie einen großen Schrank voller Schubladen vor.

 

Jede Schublade steht für einen bestimmten Themenbereich – das nennt man Domäne. Eine Domäne fasst zusammen, was funktionell oder strukturell zusammengehört – zum Beispiel Kraft, Beweglichkeit, Körperpflege oder Einkaufen.

 

Diese Einteilung macht die ICF praxisnah und alltagstauglich.

 

Du erkennst auf einen Blick:

  • Welche Schublade du öffnen solltest (also welche Domäne du untersuchen willst),

  • wie du darin befundest (z. B. per Test, Beobachtung oder Gespräch)

  • und wie du deine Ergebnisse systematisch dokumentierst.

 

Kurz gesagt:
Domänen sind dein Werkzeug, um aus der Theorie ein funktionierendes Befundsystem für die Praxis zu machen.

„Eine Domäne ist eine praktikable und sinnvolle Menge von miteinander im Zusammenhang stehenden physiologischen Funktionen, anatomischen Strukturen, Handlungen, Aufgaben oder Lebensbereichen.“ (ICF, 2005, S. 9)​

Domänen helfen dir, gezielt zu erkennen, was beim Patienten eingeschränkt oder intakt ist.
So kannst du strukturiert dokumentieren, vergleichen und passende Therapieziele ableiten.

Dadurch wird der Befund verständlich – auch für andere Berufsgruppen oder Kostenträger.

Welche Domänen sind für meinen Befund relevant?

 Die ICF bietet dir eine große Auswahl an Domänen – aber du musst nicht alle prüfen.

Die Kunst liegt darin, nach der Anamnese zu entscheiden: Welche „Schubladen“ sind wichtig für diesen Patienten?

Stell dir vor, du ziehst nur die Schubladen heraus, in denen du tatsächlich etwas findest.

➡ So wird dein Befund zielgerichtet und praxisnah – und du verschwendest keine Zeit mit irrelevanten Bereichen.

 

Beispiel:

Bei einer Patientin nach Hüft-TEP brauchst du keinen Test zur Kommunikation.

Folgende Schubladen solltest du u.A. aber sehr wohl für deinen Befund öffnen:

  • Beweglichkeit der unteren Extremität

  • Kraft

  • Selbstversorgung

  • Mobilität im häuslichen Umfeld

Tipp für deinen Alltag:
Starte nach der Anamnese mit einer groben Einschätzung: Wo bestehen Einschränkungen oder Risiken? Welche Fähigkeiten sind erhalten? Erst danach entscheidest du, welche Domänen du gezielt befundest.

Wie befundet man eine Domäne?

Was wird befundet?

z. B. Domäne Kraft: welche Muskelgruppen, Seitendifferenzen

Wie wird befundet?

z. B. durch MuFu-Messung, MMT, Testgeräte, visuelle Einschätzung Verwende hierzu auch die unten beschriebenen Beurteilungsinstrumente!

Wie dokumentierst du?

z.B. ICF-Code + Schweregrad, ggf. kurzer Kommentar

Beispiel: Domäne Beweglichkeit bei der Hüft-TEP Patientin

Was wird befundet?

  • Gelenkbeweglichkeit aktiv & passiv der Hüft-, Knie-, Sprunggelenke auf beiden Seiten
  • Einschränkungen in bestimmten Richtungen werden notiert

Wie befunde ich?

  • Goniometer
  • visuelle Einschätzung
  • dynamische Bewegungstests (z.B. Hinsetzen und Aufstehen)

Dokumentation:

  • ICF-Code: b710.3 – erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit der unteren Extremität
  • NNM-Schreibweise: 
    Hüftgelenk rechts aktive Range of Motion (ROM)
    Ext / Flex (0 / 15 / 60)
    –> Die Patientin hat 10° Extensions-Defizit und kann ihr Hüftgelenk rechts 60° beugen

Die Beurteilung in der ICF

Die ICF nutzt standardisierte Beurteilungsmerkmale (Qualifikatoren), um das Ausmaß eines Problems messbar zu machen – zum Beispiel bei eingeschränkter Gehfähigkeit, Muskelkraft oder Selbstversorgung. Diese Bewertung macht Einschränkungen vergleichbar, nachvollziehbar und dokumentierbar.

CodeBedeutungBeschreibungProzentbereich
xxx.0Kein Problemohne, kein, unerheblich0–4 %
xxx.1Leichtes Problemschwach, gering5–24 %
xxx.2Mäßiges Problemmittel, ziemlich25–49 %
xxx.3Erhebliches Problemhoch, äußerst50–95 %
xxx.4Voll ausgeprägtes Problemkomplett, total96–100 %
xxx.8Nicht spezifiziertInformation fehlt
xxx.9Nicht anwendbarz. B. nicht relevant

📌 Beispiel:
Ein Patient hat erhebliche Schwierigkeiten beim Treppensteigen (→ d4551.3)
(d4551 = Treppensteigen, .3 = erheblich eingeschränkt)

Für die Bewertung von Körperstrukturen (z. B. Gelenke, Muskeln, Organe) gibt es ein zusätzliches Beurteilungsmerkmal, das die Art oder Veränderung der betroffenen Struktur dokumentiert.

CodeBeschreibung der Veränderung
0Keine Veränderung
1Nicht vorhanden
2Teilweise nicht vorhanden
3Zusätzlicher Teil
4Von der üblichen Form abweichend (aberrant)
5Diskontinuität (z. B. Fraktur)
6Abweichende Lage (z. B. Gelenkfehlstellung)
7Qualitative Strukturveränderung (z. B. Flüssigkeitsansammlung)
8Nicht spezifiziert
9Nicht anwendbar

📌 Beispiel:
Ein Patient hat eine Schulterluxations720.6
(s720 = Schultergelenkregion, .6 = abweichende Lage)

Wenn sowohl das Ausmaß als auch die Art der strukturellen Veränderung dokumentiert werden sollen, wird das erste Beurteilungsmerkmal an erster Stelle genannt, das zweite optional danach.

 

Beispiel:
s750.3 + s750.5
→ Erhebliche Einschränkung (3) + Diskontinuität (5), z. B. bei einem Frakturgeschehen im Bein

Wo finde ich alle Domänen in der Übersicht?

Hier findest du eine Übersicht aller Domänen sowie eine Domänen-Übersicht für die Hüft-TEP-Patientin als PDF.

Alle Domänen, die nicht grau markiert sind, werden bei ihr geöffnet. Alle grauen Domänen werden nicht geöffnet.

Befundvorlage

Hier findest du einen Großbefund der Döpfer Schulen München 2018 als Vorlage. 

Wie geht es weiter?